Briefkopf - ALBERT MILDE k. k. Hof-Kunst-Bauschlosser und Eisenkonstrukteur zu Wien; von 7.2.1839 bis 8.11.1904

Zinshaus des Herrn Wilhelm Coulon, 1040 Wien, Gußhausstraße 10

Diverse Schlosserarbeiten, 1877

k. k. Albert Milde

Archivbild: Ansicht des Zinshauses des Herrn Wilhelm Coulon, 1877; 1040 Wien, Karlgasse 15

Archivbild: Ansicht des Zinshauses des Herrn Wilhelm Coulon (1)
1040 Wien, Gußhausstraße 10
nach den Architekten Ferdinand Wendeler und Otto Hieser

Die nach dem Börsenkrach ausgeführten reicheren Zinshäuser Wiens verdient das in vorstehender Abbildung dargestellte Haus des Herrn Wilhelm Coulon, Direktor der Pittner Papierfabrik, besonders hervorgehoben zu werden. Die freie und schöne Lage dieses Hauses, am Durchschneidungspunkte zweier breiter und frequentierter Straßenzüge des Bezirkes Wieden, nämlich der zehn Klafter (19 m) breiten Gußhausstraße und der acht Klafter (15 m) breiten Karlsgasse, welche unter einem spitzen Winkel zusammenstoßen, gab den Architekten des Baues, den Herren Ferdinand Wendeler und Otto Hieser, Veranlassung zu einer eigentümlichen Gestaltung des Äußeren, welches in seiner echt künstlerischen Durchbildung ebenso wohl den Fachmann wie den Laien erfreut und zu näherer Betrachtung fesselt. Die Architekten haben es verstanden, die Raumdispositionen des Innenbaues im Äußeren zu charakterisieren und es sind dem entsprechend die vorzüglichsten Räume der verschiedenen Wohnungen an den Fassaden durch Erker, Risalite und Balkons unter Anwendung von ornamentalem und figuralem Schmuck ausgezeichnet worden. Der Bau, im Stile einfach edler italienischer Renaissance, ist mit Ausnahme der in Grisingnaner Stein gearbeiteten Balkons und anderer Konstruktionsteile ganz in Verputz hergestellt. Die wenigen Steinmetzarbeiten, welche vom Steinmetzmeister Josef Sederl geliefert wurden, verdienen wegen ihrer besonders schönen und korrekten Ausführung lobend hervorgehoben zu werden, sowie auch die dekorativen Bildhauerarbeiten des Inneren und Äußeren, welche vom Bildhauer Herr Carl Stepnitz geliefert wurden, eine tüchtige Durchführung zeigen und den mit dem Stile vertrauten Meister erkennen lassen. Der in Breitenbrunner Steinmateriale ausgeführte figurale Schmuck der Fassaden, eine Arbeit des verstorbenen Bildhauers Raimund Novak, ist mehr in technischer als stilistischer Beziehung erfreulich, insofern als die Karyatiden und Statuen mehr den strengen Vorbildern hellenischer Skulpturen als denen der italienischen Renaissance sich anschließen. In diesem figuralen Schmuck des Coulon’schen Hauses wurden auf Wunsch des Bauherrn die nachbenannten Allegorien dargestellt. Am Erker sind als Karyatiden (Träger des Hauses) die Sparsamkeit, der Fleiß, Papyrus und Mechanik, Handel und Telegraphie aufgestellt, dagegen an der Ostseite des Hauses als freistehende Statue: die Schlauheit (Vorsichtigkeit), die Rechenkunst, Hausfriede und Wohlstand. Seinen charakteristischen Abschluss erhält der Bau durch das um 2,3 Meter gegen die Mauerfläche der Fassaden vorspringende feuersichere Hauptgesimse – das erste Beispiel in Wien eines nach Altflorentiner Art in moderner Konstruktion ausgeführten Dachgesimses. Dasselbe, bestehend aus einem mit dem Mauerkörper verankerten schmiedeeisernen Gerippe, an welches die ausgewalztem und getriebenem Zink hergestellten Sparren, Cassetten, Rinnen nebst Simabekrönung befestigt sind, ist von dem Hofspenglermeister Herrn Vincenz Wenzel ausgeführt worden und hat sich dessen Arbeit bis nun als eine vorzügliche bewährt.

Über die Anlage des Inneren des Coulon’schen Hauses sei nur erwähnt, dass das Parterre, sowie der zweite und dritte Stock des Hauses als größere und kleinere Mietswohnungen eingeteilt sind, während der ganze erste Stock die Wohnung des Hausherrn enthält. Neben der gefälligen äußeren Erscheinung des Hauses lobt der Eigentümer insbesondere die zweckmäßige innere Disposition sowohl seiner eigenen als der Mietswohnungen, aus welcher bei diesem Objekte, wie ja auch bei jedem andern Zinsobjekte, der eigentliche Werth desselben resultiert und welche den bauleitenden Architekten Wendeler & Hieser umso mehr zur besten Empfehlung gereicht, als die praktische und zweckmäßige Ausnützung der Baustelle, im Hinblick auf deren höchst unbequeme Konfiguration, mit manchen Schwierigkeiten verbunden war. – Der in allen Teilen mit größtmöglichster Solidität durchgeführte Bau wurde im Februar 1877 begonnen und die Mietswohnungen zum November desselben Jahres bezogen. Unter den ausführenden Kräften sind außer den genannten noch der Stadtbaumeister Alois Schumacher, der Tischlermeister Josef Dasatiel und der Hofschlossermeister Albert Milde wegen ihrer tüchtigen Arbeiten besonders zu erwähnen. Die Baukosten für die vollständige vermietungsfähige Herstellung des Baues und der Dekorationen fix und fertig betrugen rund ö. W. fl. 120.000 [ca. 1'329.000 Euro; März 2011]. Dies ist rund fl. 180 [ca. 2.000 Euro; März 2011] per Quadratmeter verbauter Grundfläche.(2)